Mobilitätsarmut ist ein vielschichtiges Phänomen, das sich durch hohe Mobilitätskosten, mangelnde Verkehrsinfrastruktur oder Erreichbarkeitsprobleme von grundlegenden Aktivitäten und Dienstleistungen äußert. Diese Auswirkungen können die berufliche und soziale Teilhabe erheblich beeinträchtigen. Lange und komplexe Arbeits- und Ausbildungswege stellen außerdem eine zeitliche und gesundheitliche Belastung dar.
Die beiden Projekte MOSAIK und AMOWI befassten sich mit arbeits- und ausbildungsbezogener Mobilitätsarmut, fokussierten sich jedoch auf unterschiedliche Raumtypen: Während MOSAIK die Mobilitätsherausforderungen im ländlichen Raum am Beispiel des Innviertels untersuchte, widmete sich AMOWI der Situation im urbanen Kontext Wiens. Beide Projekte zielten darauf ab, vulnerable Gruppen zu identifizieren, räumliche, zeitliche und personenspezifische Unterschiede in der Betroffenheit aufzuzeigen und Lösungsansätze zur Reduktion von Mobilitätsarmut zu entwickeln. Neben quantitativen Analysen wurden bei beiden Projekten semi-narrative Betroffeneninterviews durchgeführt.

Abbildung 1: Visualisierung der Entstehung von Mobilitätsarmut und ihren Auswirkungen
Junge Menschen zählen laut der bisherigen Forschung zu Mobilitätarmut als Risikogruppe, da sie in ihren Mobilitätsoptionen eingeschränkt und vorrangig auf den Umweltverbund angewiesen sind. Gleichzeitig sind ihre finanziellen Ressourcen und räumlichen Möglichkeiten stark von ihrem sozialen Umfeld abhängig. Eigenständig mobil zu sein ist in dieser Altersgruppe deshalb oftmals eine Herausforderung. Die Gruppe der Lehrlinge wurde deshalb in beide Projekte einbezogen. Die jungen Menschen in Berufsausbildung müssen mehrere Lernorte (Lehrstelle, Berufsschule, teilweise Maturakurse) erreichen und können dabei auf ausbildungsbedingte Mobilitätsprobleme stoßen.
Sowohl die räumlichen Analysen als auch die Betroffeneninterviews zeigen, dass die Kombination aus einer geringen ÖV-Angebotsqualität, vor allem zu frühen Arbeitszeiten und abseits zentraler Strecken und Ballungsräumen, im Innviertel eine hohe Abhängigkeit vom Pkw bewirkt. Langen Fahrzeiten und Intervalle machen den ÖV zusätzlich unattraktiv, wodurch für Lehrlinge ohne Pkw auch der ÖV oft keine adäquate Alternative darstellt. Bring- und Holdienste durch Familie und Kolleg:innen sind in Oberösterreich deshalb ein wichtiger Bestandteil der ausbildungsbezogenen Mobilitätsstrategien, ebenso wie betriebliche Mobilitätslösungen. Lehrlinge im urbanen Großzentrum Wiens profitieren hingegen von einer guten Angebotsqualität des öffentlichen Verkehrs, wodurch dieser als Hauptverkehrsmodus genutzt werden kann und nur wenige Mobilitätsprobleme auftreten. Für Lehrlinge, die aus dem Umland nach Wien einpendeln stellen jedoch die langen Fahrzeiten eine starke Belastung dar, da wenig Zeit für soziale Aktivitäten und Erholung bleibt. Weiters ist die letzte Meile zu Randzeiten eine Herausforderung, die vorwiegend mit dem Pkw selbst- oder mitfahrend bewältigt wird. Das Moped wird aufgrund von Sicherheitsbedenken und Witterungsabhängigkeit kaum genutzt, das Fahrrad und E-Scooter interessanterweise ebenso kaum, obwohl sich kurze Arbeitswege und die letzte Meile dafür anbieten würden.
Siehe auch:
- Kretschmer, V., & Juschten, M. (2024). Arbeitswegbezogene Mobilitätsarmut im Raum Wien: Hürden und Bewältigungsstrategien von vulnerablen Gruppen. BOKU Magazin, 04 / 2024, 40–41.
https://www.yumpu.com/de/document/read/69361634/boku-magazin-04-2024 - Juschten, M. & Hössinger, R. (2025, under revision). Assessing commuting-related accessibility inequalities in rural Innviertel, Austria. Submitted to Journal of Transport Geography in February 2025.
- Kretschmer, Vera. Mobilitätsarmut in der Berufsausbildung: Eine Untersuchung arbeitswegbezogener Schwierigkeiten und Bewältigungsstrategien von Lehrlingen in Oberösterreich und der Stadtregion Wien. Masterarbeit im Rahmen des Studiums Umwelt- & Bioressourcenmanagement an der Universität für Bodenkultur Wien.